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© Mag.Dr. Peter Wiesflecker

Als ich in Feistritz anlangte, fand ich die Bursche[n] eben mit einer Übung beschäftigt, welche sie das Kufenstechen nennen; es wird an einem Pfahl eine Kufe wie jene der Salzkufe beweglich sich herum drehend horizontal aufgestellet sehr dick, auf diese rennen die Burschen zu Pferde /:ungesattelt:/ mit der Eisernen vorstech Stangen /:sehr schwer:/ und schlagen darauf oder stechen sie hinein, bis alles zertrümmert ist. Diese Beschreibung eines Kufenstechens aus dem Jahr 1804 stammt von keinem geringeren als Erzherzog Johann, der diesen Brauch in seinen Denkwürdigkeiten festgehalten hat. Der kaiserliche Prinz war einer der ersten, dem wir eine Schilderung dieses Untergailtaler Brauches verdanken, der seit jeher in den Dörfern des Unteren Gailtales gepflogen wird und –wie der Grafendorfer Dechant und Volkskundler Franz Franziszi hundert Jahre nach dem Besuch des Erzherzogs festgestellt hatte – einen integrierenden Teil der Kirchtagsfreuden bildete – und noch immer bildet. Von Zeitgenossen des Erzherzogs stammen weitere Zeugnisse dieser Brauches, wenngleich die bisher älteste Mitteilung dazu nicht aus dem Unteren Gailtal, sondern vielmehr aus der Gegend um Villach stammt. Dabei wird man sich jedoch vor Augen halten müssen, daß sich nur ein Teil jener Zeugnisse, die über Geschichte und Entwicklung eines Gebietes, und im gegenständlichen Fall eines Brauches, Auskunft geben, erhalten haben. Vieles ist im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen, weniges wurde überhaupt schriftlich festgehalten. So stammt dieses erste Zeugnis aus einem Gerichtsprotokoll. Dieser singulären Nachricht aus dem Raum Villach steht, neben den vielen, zugegebenermaßen jüngeren Zeugnissen zu Kirchtag, Kufenstechen und Lindentanz, die sich für das Untere Gailtal finden lassen, das in der Kette der Generationen weitergegebene und gelebte Brauchtum in unserem Gebiet entgegen.


Unzulässig ist es auch, den Untergailtaler Kirchtagsbrauch auf das Kufenstechen allein zu reduzieren, wenngleich ihm seit jeher das Hauptinteresse galt. Sowohl Oskar Moser wie Leopold Kretzenbacher, um nur zwei der bedeutenden österreichischen Volkskundler, die sich mit diesem Brauch auseinandergesetzt haben, zu nennen, konnten die eigentliche Frage nach der Herkunft des Brauches nicht lösen. Und diese Frage muß, wie Kretzenbacher festgestellt hat, solange unlösbar bleiben, bis uns Archivfunde noch deutlichere Hinweise geben. Somit liegt der Ursprung des Kufenstechens im Dunkeln. Allein eine Auflistung, Besprechung und Wertung all jener Theorien, die sich mit seinem Entstehen befassen, würde den Rahmen dieser Zusammenschau sprengen. Die Legende, wonach das Kufenstechen durch einen Sieg über die eingefallenen Türken entstanden sei, ist ein schöner Deutungsversuch der Menschen unseres Tales und verdient es immerhin, in seinen zwei Varianten kurz skizziert zu werden. Bei der Abwehr der Türken, die im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts Kärnten mehrfach heimsuchten und auch das Gailtal mordend und brennend durchstreiften, sei es den beherzten Männern des Tales gelungen, den Anführer einer dieser Horden gefangen zu nehmen. Am Dorfplatz von Feistritz soll er an einen Pfahl gebunden und in Folge von den vorbei reitenden Bauern mit einer Keule erschlagen worden sein. Nach einer anderen Erzählung soll es einem Bauern aus Saak gelungen sein, den Kommandanten der türkischen Truppe im Kampf zu töten, was zum Rückzug der Türken aus dem Gebiet geführt habe. Nach seiner Rückkehr ins heimatlichen Dorf soll dieser sein Heldenstück anhand einer Tonne, die auf einem Pfahl stak, demonstriert haben. Zur Erinnerung an die erfolgreiche Abwehr der Türken werde dies seither veranstaltet.


Das Kufenstechen dürfte aber wohl vielmehr in Kopie ritterlicher Spiele entstanden sein, die ihrerseits ihr Vorbild in der römischen Quintana haben, einer in einem Lager an einem mannshohen Holzpflock ausgeführten soldatischen Übung. Das höfische Turnier des Mittelalters kennt diesen Wettstreit in modifizierter Form als Quintaine. Derartige "Turniere" finden wir bis in die Zeit des Barock. Bei Ring- und Karusselspielen sollten bewegliche oder in Kreisform angeordnete Ziele getroffen werden. Solche Veranstaltungen finden wir, abseits des höfischen Lebens, jedoch zumeist auf Städte beschränkt, bis ins 19. Jahrhundert in Oberitalien und Istrien. Im Unteren Gailtal wird wohl die lokale Tradition der Pferdezucht und Säumerei dieses Vorbild von Reiterspielen, die im ausgehenden Mittelalter breiteren Kreisen der Bevölkerung zugänglich wurden, aufgenommen und modifiziert haben. Fruchtbarkeitsriten, wie die Einführung des jungen Mannes in die Welt der Erwachsenen, wie sie auch heute noch die Aufnahme in die Burschenschaft, die Konta, markiert, mag ebenso Pate gestanden haben wie der Wunsch, seinen Mut im Umgang mit Pferden beweisen zu können, zumal wir es hier mit einer Bevölkerung zu tun haben, deren ökonomische Basis die Zucht von Norikerpferden bildete. In einer Zeit, in der alle Waren mühsam mit Wägen, Saumpferden oder Trägern transportiert werden mußten, eröffnete sich für die wegen ihres Mutes, aber auch ihrer kaufmännischen Geschicklichkeit bekannten Untergailtaler eine lukrative Einnahmequelle, die nach und nach zum Haupterwerb eines Großteils der Bevölkerung wurde. Diese Fuhrleute waren es, die Neuigkeiten und Neuerungen mit nach Hause brachten. Sie berichteten von ihren Eindrücken, kopierten wohl auch Feste, die sie gesehen hatten, erweiterten und änderten ihr äußeres Erscheinungsbild durch Neuerungen in der Kleidung, formten und schufen somit auch jene typische Untergailtaler Tracht, die alljährlich am Kirchtag getragen wird.


Wie bereits oben kurz angemerkt, ist das Kufenstechen nur ein Teil des Untergailtaler Kirchtagsbrauchtums, wenngleich es dessen Höhepunkt darstellt. Zu bedenken ist auch, daß derartige Festtage, wie der Kirchtag, für die Menschen vergangener Jahrhunderte eine der wenigen Möglichkeiten waren, in ihren durch zumeist schwere körperliche Arbeit bestimmten Jahreslauf eine wenig an Abwechslung und auch an Ablenkung zu bringen. An diesen Tagen blieb Zeit für die Pflege privater, verwandtschaftlicher und freundschaftlicher Kontakte. Äußeres Zeichen dieser zur Geselligkeit und zu geselligem Zusammensein einladenden Zeit war auch das Kirchtagsmahl, das gemessen an der sonst kargen Kost geradezu opulent erscheinen mußte.


Der Ablauf des Kirchtags ist festgefügt und unterscheidet sich in den einzelnen Orten des Tales, in denen er zwischen Mai und Ende September/Anfang Oktober stattfindet, nur unwesentlich. Getragen wird er seit jeher von der Konta, einer Vereinigung junger unverheirateter Burschen. Ihnen –und den Zeichen unserer Zeit folgend natürlich auch den unverheirateten Mädchen dieses Alters– obliegt die Ausrichtung des Kirchtages. Schon lange vor dem betreffenden Tag sind Namen und Zahl der Reiter fixiert, jeder Bursche hat sich um eine Tänzerin umgesehen. Die jüngeren Mitglieder der Konta, die aufgrund ihres Alters noch nicht als Reiter oder zum Tanz zugelassen sind, haben am Kirchtag selbst für den reibungslosen Ablauf zu sorgen, übernehmen Ordnerdienste, versorgen Reiter, Musik und Sänger mit Wein.
Der Tag selbst beginnt mit dem Treffen der einzelnen Burschen. Zumeist findest dieses in einem Gasthaus statt. Der Burschenführer oder ein aus der Runde bestellter Kassier hebt von jedem Mitglied der Konta einen Betrag ein, der in seiner Höhe unterschiedlich sein kann und sich danach richtet, ob der junge Mann als Reiter, Tänzer oder als einfaches Mitglied am Kirchtag teilnimmt. Dieses Geld diente in früherer Zeit zur Bestreitung der gemeinsamen Ausgaben am Kirchtag, vor allem für Musik und Wein. Gemeinsam treten nun die Burschen von der Musik begleitet den Gang zur Kirche an. Ihnen schließen sich die Einheimischen an, zumeist jedoch nur die Männer. Die Mädchen gehen getrennt von den Burschen zur Kirche. Nach dem Hochamt segnet der Priester den Wein und trinkt gemeinsam mit dem Burschenführer auf ein gutes Gelingen des Kirchtags. Vor dem Gotteshaus beginnt der freie Gesang im Wechsel mit der Musik. Vor den Gasthäusern wird Halt gemacht, gesungen, musiziert und getanzt, ehe zu Mittag der erste Teil des Kirchtages mit dem Kirchtagsessen endet.
Am Nachmittag, zumeist zwischen 14.00 und 15.00 Uhr versammeln sich die Burschen wiederum, einige von ihnen auf den ungesattelten, schweren, in dieser Gegend gezüchteten Pferden. Die Zuschauer bilden eine Gasse und unter Musik wird die Kufe herbei gebracht. Ihr folgen die Reiter und die weiteren Mitglieder der Burschenschaft. Im schnellen Ritt geht es nun unter Musikbegleitung am Pfahl, der die Kufe trägt vorbei, und die einzelnen Reitern versuchen das Faß mit ihren Eisenschlägeln zu zerschlagen. Während die Reiter nach jedem Durchgang zum Ausgangsort zurückkehren, stimmen die Sänger Lieder an. Dieser Vorgang dauert so lange, bis die Kufe zerschlagen wird. Wiederum sammeln sich die Reiter und dreimal geht es am Pfahl vorbei, wobei ein Blumenkranz in die Höhe gehalten wird, den der Kranzelhalter schließlich dem Burschenführer zukommen läßt.
Mit dem Kranz am Arm eröffnet der "Sieger" den Tanz unter der Linde. Dazu ein Bericht aus 1807: Nur wenige, aber ausgesuchte villeicht seit tausend Jahre originaliter beibehaltene Thöne eröfnen den sogenannten hohen Tanz. ... Sobald dieser hohe Tanz geendet ist, tummeln sich mittlerweile Alle in wirbelnden Kreisen herum, wobei dann wegen der sehr kurzen Kleidertracht Waden, Schenkel und etc. zur Schau gestellt sind. ... So erlustigt man sich bis spät in die Nacht, wo man entweder wohlbezecht – oder bei gewöhnlichen Händeln– wohldurchprügelt nach Hause gehet.


Heute schließt an den Lindentanz eine zumeist von der Burschenschaft organisierte Tanzveranstaltung an, die erst in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages ausklingt.

Dr. Peter Wiesflecker

 


Quellen:
Gerhard Heindl

Gailtaler Kufenstechen und Lindentanz. In: Volkskunst heute. Heft 2, 15 (1996) 3–5.

Niko Kuret

Ziljsko š tehvanje in njegov europski okvir. (La Quintaine des Slovènes da la vallèe de la Zilia (Gailtal) et son cadre européen) (Ljubljana 1963).

Leopold Kretzenbacher

Ringreiten, Rolandspiel und Kufenstechen. Sportliches Reiterbrauchtum von heute als Erbe aus abendländischer Kulturgeschichte (Klagenfurt 1966).

Herbert Michor

Geschichte des Dorfes Feistritz an der Gail (Feistritz-Nötsch 1959/1951).

Oskar Moser

Das Gailtaler Kufenstechen. Nach neuen Forschungen und historischen Quellen. In: Carinthia I 156 (1966) 48–95.

Wilhelm Neumann

Zur Geschichte des Kärntner Kufenstechens. Ein frühes Zeugnis aus der "Gegend" nördlich Villach. In: Carinthia I 168 (1978) 195–205.

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